Mit Graffitis gegen Zwangsarbeit - Neue Formen des Gedenkens in Neubrandenburg

Mit Graffitis gegen Zwangsarbeit - Neue Formen des Gedenkens in Neubrandenburg

Jugendliche sprayt für die Menschenrechte

27.01.2019 - Schülerinnen und Schüler des Lessing-Gymnasiums in Neubrandenburg setzten sich mit den Projektmitarbeiter*innen von zeitlupe im vergangenen Schulhalbjahr intensiv mit der Geschichte ihrer Stadt auseinander.

Ausgehend von der Europäischen Grundrechtecharter sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beschäftigten sie sich mit Zwangsarbeit. In der Charter der EU ist hier der Artikel 5 entscheidend:

Artikel 5 - Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit

  1. Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
  2. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
  3. Menschenhandel ist verboten.

 

Neubrandenburg als ein kriegswichtiges Zentrum der Zwangsarbeit

In Neubrandenburg kamen während des Zweiten Weltkriegs auf einen Einwohner mindestens zwei Zwangsarbeiter. Das heißt: Doppelt so viele Menschen in der Stadt waren keine Einheimischen. Unter ihnen waren Fremdarbeiter, Ostarbeiter, KZ-Häftlinge, die unter anderem eingesetzt waren bei den Rinker Werken und den Mechanischen Werkstätten Neubrandenburg. Aber auch private Haushalte und Bauernhöfe profitierten von Zwangsarbeiter*innen.

Die nationalsozialistische Ideologie unterschied in „Herrenmenschen“ und „Untermenschen“. Neben generellem Rassismus und der Bereitschaft, Menschen durch Zwangsarbeit bis zum Tod auszubeuten, herrschte extreme Ungleichbehandlung vor. Westeuropäische Zwangsarbeiter wurden deutlich besser behandelt als osteuropäische. Polen sollte ein Sklavenarbeitsgebiet werden für die Deutschen. Sowjetbürger*innen standen neben Juden und Sinti und Roma in der Hierarchie ganz unten.

Die Jugendlichen, von denen sich die meisten auch in der schuleigenen SoR-Gruppe („Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“) engagieren, setzten sich mit dem größten Außenlager des KZ Ravensbrück auseinander: In der Ihlenfelderstraße und später auch im Nemerower Holz, im sogenannten „Waldbaulager“, mussten etwa 6.000 Frauen und Mädchen für die Mechanischen Werkstätten Neubrandenburg schwere Zwangsarbeit leisten. Sie produzierten Teile für Kampfflugzeuge, Bombenabwurfgeräte, ja sogar für die sogenannte V1, ein Marschflugkörper, mit dem die Nationalsozialisten hofften, den längst verlorenen Krieg noch zu gewinnen.

Ein Workshop mit Exkursion entlang den städtischen Lehrpfadstelen mit Herrn Dr. Schulz vom Stadtarchiv gehörten ebenso zu ihren Aktivitäten wie ein Menschenrechtsworkshop zum Thema „Zwangsarbeit damals und heute“.

 

Lernen aus der Geschichte – Mit Graffitis Zeichen setzen gegen Menschenrechtsverletzungen heute

Höhepunkt war nun zum Holocaustgedenktag und zur Feier des 70-jährigen Bestehens der Menschenrechte ein Graffitiworkshop mit dem international renommierten Künstler Roger Howart, der in der Szene als KobeEins einen Namen hat.

Die Regionalbibliothek und das RAA-Projekt zeitlupe waren, wie bereits im vergangenen Jahr, Partner, um diese besondere Form kultureller Bildung zu ermöglichen.

Ob Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, unmenschliche Bedingungen in der Bekleidungsindustrie, brutal erzwungene Sexarbeit oder eben das Erinnern an die unmenschlich behandelten KZ-Häftlinge – die Jugendlichen fanden zum Nachdenken anregende Antworten mit der Spraydose: ihr Beitrag für eine lebendiges Aushandeln von Erinnerung und Engagement für die Menschenrechte.

Ein Gedenken an die Opfer fand in ihre emphatischen Ausdrucksformen Eingang, aber auch ein (selbst-)kritisches Nachdenken, wer eigentlich von Strukturen der Zwangsarbeit profitiert, wollen die jungen Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken den Betrachterinnen und Betrachtern näher bringen.

Am Ende des Wochenendes äußerten sich alle begeistert über die mit KobeEins, mit zeitlupe und mit den Medien der Regionalbibliothek erlernten Möglichkeiten, sowohl methodisch als auch inhaltlich Geschichte, Kunst und Politik miteinander in Dialog zu bringen.

Da auf mobilen Stellwänden gesprayt wurden, sind die Kunstwerke transportabel (und selbstverständlich auf legalem Untergrund) und werden, nach einer Präsentation in der Schule, demnächst in der Regionalbibliothek in Neubrandenburg zu sehen sein.

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