Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse

Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse

Historischer Ort
Lernort

Auf den ersten Blick ist es dem idyllisch am Tollensesee gelegenen Dorf Alt Rehse nicht anzusehen. Doch  hinter diesem kleinen Ort verbirgt sich eine dunkle Geschichte. Denn im Jahr 1935 eröffneten die Nazis dort eine für das gesamte Deutsche Reich einmalige Einrichtung: die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“. Doch nicht nur das. Um die Schule herum entstand ein nationalsozialistisches Musterdorf, das in seiner Bauweise ein „völkisches“ Idealbild einer „deutschen Dorfgemeinschaft“ darstellen sollte. Die alten Gebäude wurden dafür bis auf wenige Ausnahmen abgerissen.

Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse

„Vorkämpfer für eine Medizin, die verwurzelt ist mit Blut und Boden des (deutschen) Volkes“

Eröffnung der "Führerschule der Deutschen Ärzteschaft Alt Rehse" am 1. Juni 1935 (Quelle: EBB Alt Rehse)
Die versammelten Gäste vor dem Gemeinschaftshaus bei der Eröffnung der "Führerschule der Deutschen Ärzteschaft Alt Rehse" am 1. Juni 1935 (Quelle: EBB Alt Rehse)

Mit dieser Aussage verdeutlichte Hans Deuschl, Leiter der "Führerschule", deren Anspruch. Zehn- bis Zwölftausend Ärzt:innen, Apotheker:innen, Hebammen und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens besuchten zwischen 1935 und 1941 die ein- bis vierwöchigen Lehrgänge in der „Führerschule“. Die Teilnehmer:innen wurden dort in verschiedenen Aspekten der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik ideologisch ausgebildet. Auf dem Lehrplan standen Themen wie „Rassenhygiene“,„Erbgesundheit“ und „Der nationalsozialistische Arzt“.

Teil der ideologischen Ausbildung war auch die Stärkung eines „völkischen“ Gemeinschaftsgefühls. Die Teilnehmenden trieben gemeinsam Sport, machten Ausflüge und lernten berühmte NSDAP-Mitglieder kennen, die gerne nach Alt Rehse zu Besuch kamen. Ziel war es, eine Elite an Ärzten und Ärztinnen auszubilden, die die unmenschliche Ideologie der Nazis mit Überzeugung vertrat. Viele von ihnen waren später an Verbrechen wie der Zwangssterilisation und systematischen Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen beteiligt.

Dorfstraße "Unter den Linden" in Alt Rehse heute (Quelle: EBB Alt Rehse)
Dorfstraße "Unter den Linden" in Alt Rehse heute (Quelle: EBB Alt Rehse)

Ein Dorf als Nazi-Utopie

Die von den Nazis künstlich erschaffene Idylle in Alt Rehse verfolgte ebenfalls ein ideologisches Ziel. Durch die Bauweise im sogenannten Heimatschutzstil wurde den Schulungsteilnehmer:innen eine Heimseligkeit vorgegaukelt, die das „völkische“ Gemeinschaftsgefühl stärken sollte. Die Nazis wollten den Ärzt:innen aufzeigen, wie Deutschland aussehen könnte, wenn sie ihren Aufgaben nachkämen.

Die kleinen Fachwerkhäuser mit Reetdächern hinterlassen bis heute bei den Besucher:innen des Dorfes den Eindruck eines friedlichen Idylls. Die größtenteils erhaltenen Gebäude, die bis 1941 im Sinne der NS-Ideologie errichtet wurden, stellen ein deutschlandweit einmaliges Flächendenkmal dar.

Und heute?

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ für lange Zeit in Vergessenheit. Welchen Herausforderungen das Erinnern, Gedenken und Lernen an diesem Ort begegnet, zeigt die Verleihung der Bronzemedaille an Alt Rehse im Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ im Jahr 1996. Damit wurde allerdings auch eine Architektur und eine Landschaftskonzeption gewürdigt, die Ausdruck nationalsozialistischer Vorstellungen ist.

Workshop Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse (Quelle: EBB Alt Rehse)
Anhand verschiedener Methoden vermitteln die Pädagog:innen die Geschichte der "Führerschule" und setzen sich mit den Teilnehmer:innen mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen auseinander (Quelle: EBB Alt Rehse)

Einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Orts widmet sich seit 2001 die Erinnerungs-, Bildungs-, und Begegnungsstätte Alt Rehse (EBB Alt Rehse). Mittels einer Ausstellung und vielfältiger Bildungsangebote beschäftigt sich ein Team engagierter Mitarbeiter:innen mit der Geschichte des Ortes und aktuellen medizinethischen Fragen.

In den kommenden Jahren soll der Erinnerungsort, der Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse, weiter ausgebaut und ein neuer Standort im Dorf bezogen werden. Die Ziele der Gedenkstätte sind, über die Geschichte Alt Rehses und die „Führerschule“ zu informieren und aufzuklären, die Bildungsarbeit insbesondere im Bereich der Gesundheitsberufe weiter auszubauen und so einen gesellschaftlichen Beitrag zu den medizinethischen Debatten unserer Zeit zu leisten.

Pädagogische Angebote:

  • Ausstellung "Alt Rehse und der gebrochene Eid des Hippokrates"
  • Führungen am historischen Ort (nach Anmeldung)
  • Digitale, interaktive Dorfrundgänge mit der App Actionbound
  • Workshops und Seminare (auf Anfrage)
  • Alt Rehse History Podcast

Adresse: Am Gutshof 34, 17217 Penzlin - OT Alt Rehse

Telefon: 03962-221123

E-Mail: info@ebb-alt-rehse.de

Website: www.ebb-alt.rehse.de

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