Sinti und Roma waren und sind Bewohnerinnen und Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns
Die Familien der Sinti und Roma waren und sind seit Jahrhunderten Bewohner:innen Mecklenburg-Vorpommerns. Im Laufe der Zeit wohnten sie in den Städten - und in zahlreichen Dörfern. Sie lebten zum Beispiel in Neubrandenburg, in Weitin, in Ludwigslust oder in Satow bei Waren an der Müritz. Sie arbeiteten in Fabriken und auf Gutshöfen oder brachten ihre handwerklichen Fertigkeiten bis in die entlegensten Orte unseres Bundeslandes.
Die Kinder, Frauen und Männer litten über die Jahrhunderte immer wieder unter Ausgrenzung, Zwängen und Gewalt. Unter der NS-Herrschaft nahm dies eine mörderische Wende. Kriminalpolizei, Fürsorgeeinrichtungen und kommunale Entscheidungsträger arbeiteten hier Hand in Hand. So verschleppten sie unzählige Kinder und Jugendliche aus den Gruppen der heute Sinti und Roma genannten Minderheit in Heime, in „Jugendverwahrlager“ oder in Konzentrationslager. Rassenideologie und frei erfundene Kriterien sozialer Brauchbarkeit für eine konstruierte „Volksgemeinschaft“ wurden mit jahrhundertealten Vorurteilen zu einer unheilvollen Verbindung verknüpft.
Heute sprechen Forschende ohne Umschweife von einem Völkermord. Dies galt auch für die Sinti und Roma im historischen Mecklenburg und Pommern. Allein in dem Zug, den die NS-Behörden am 14. März 1943 über Neustrelitz nach Auschwitz verschleppten, befanden sich 210 Mecklenburger Sinti und Roma. Mehr als die Hälfte von ihnen waren Kinder unter 14 Jahren. Bis heute suchen die wenigen Nachfahren nach ihren ermordeten Verwandten. Und sie kämpfen noch immer darum, wahrgenommen und anerkannt zu werden.
Projektziele
Mit Mitteln der Partnerschaft für Demokratie Neubrandenburg, der Landeszentrale für politische Bildung M-V und des RAA-Projekts zeitlupe haben wir zum einen die Grundlagenforschung zu Sinti und Roma in M-V vorangebracht. Zum anderen haben wir innovative pädagogische Formate für eine regionalgeschichtliche Spurensuche zur größten Minderheit Europas (10-12 Millionen Sinti:zze und Rom:nja) entwickelt. Wir fragen nach den Schicksalen der Sinti-Familien in Mecklenburg-Vorpommern. Wir fragen nach Strategien von Selbstbehauptung und hören den Stimmen der Sinti:zze und Rom:nja zu. Wir wollen uns aber auch intensiv mit Kontinuitäten von Ausgrenzung und mit heutiger Zivilcourage gegen Rassismus und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beschäftigen.
Gemeinsam mit Schulen, mit Jugendlichen und anderen Interessierten wollen wir die bislang kaum bekannte Geschichte der Sinti:zze und Rom:nja in M-V und insbesondere das in Weitin gelegene sogenannte „Zigeunerlager“ sowie die zahlreichen Schicksale von Kindern und Familien erforschen und einem größeren Publikum zugänglich machen.
1. Gleichaltrige übernehmen die Führung – Gemeinsam durch die Wanderausstellung
Peer-to-peer-Führungen durch Ausstellungen sind eine Möglichkeit, Jugendliche zu bestärken, ihre eigene Auseinandersetzung mit dem Thema weiter zu vermitteln. Dabei können wichtige Kompetenzen erworben werden, die gesellschaftliche Vielfalt und Demokratie fördern. Wir bieten hierfür ein Trainingsmodul an.
2. „Kon hum me? | Wer bin ich?“ – Sinti:zze und Rom:nja in Mecklenburg-Vorpommern
Dieses Modul dient dazu, die Recherche und die kritische Einordnung von historischen Quellen zu erlernen. Ziel soll es sein, Schicksale von Sinti-Kindern aus Mecklenburg-Vorpommern kennenzulernen. Der Umfang wird abgestimmt auf die zeitlichen Rahmenbedingungen der Schule bzw. auf die Bedürfnisse der Gruppe.
3. Geschichten von Ausgrenzung und Empowerment – Zeugnisse der Sinti:zze und Rom:nja
Obwohl Sinti:zze und Romn:ja seit über 600 Jahren in Deutschland leben, obwohl Sinti:zze und Rom:nja mit bis zu 12 Millionen Menschen die größte in Europa lebende Minderheit darstellen, kennt kaum jemand ihre Sicht auf die Welt. In diesem Modul stehen (auto)biographische, poetische und musikalische Zeugnisse von (jungen) Sinti:zze und Rom:nja im Mittelpunkt. Ziel ist es, sich mit ihren Erfahrungen mit der Mehrheitsgesellschaft, mit Diskriminierung und Verfolgung auseinanderzusetzen.
4. Die Wanderausstellung
Mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung M-V ist 2022/23 eine Wanderausstellung für Schulen und Bibliotheken in M-V in Arbeit sowie eine Broschüre mit Quellenmaterialien. 30 Jahre Progrom von Rostock-Lichtenhagen, als die Kontinuitäten der Ausgrenzung auch von Sinti:zze und Rom:nja in bedrückender Weise in Gewalt umschlug, das ist uns ein aktueller Anlass, einen kritischen Blick in die Regionalgeschichte des 20. Jahrhunderts zu werfen. Was können wir über die vielfältigen Schicksale der einst im Gebiet des heutigen Bundeslandes M-V ansässigen Familien erzählen? Wie wurden sie als Nachbarn von anderen akzeptiert und anerkannt? Aber eben auch verraten, verfolgt und sogar ermordet?
5. Das eBook von Anna-Friederike C. Pöschel
Hierbei handelt es sich um ein kindgerechtes, digitales Buch, welches mit Hilfe von interaktiven Features die Geschichte von vier Sinti-Jungen erzählt, die während des zweiten Weltkrieges in ein Kinderheim nach Neustrelitz verschleppt und später mit ihren Familien nach Auschwitz deportiert wurden.
6. Stop-Motion-Workshop – ein Animationsfilmprojekt
Der Workshop ist ein Kunst- und Animationsfilmprojekt mit einem regionalgeschichtlichen Bezug zu Sinti:zze und Rom:nja während der NS-Diktatur. Ziel des Projektes ist es, sich mit Ausgrenzungsmechanismen auseinanderzusetzen, sich dem Thema mit kreativen Methoden zu nähern und aus der Geschichte zu lernen.
7. Die Fotografie und das aktive Erinnern
Was erzählt uns ein Foto, dessen Geschichte wir nicht kennen? Wie treten wir als Individuen in Bezie-hung zu einem Bild, das jemand anderes fotografiert hat? Wie schauen wir auf dasselbe Foto, wenn wir wissen, von wem es wann, wie, warum gemacht worden ist? Der Workshop arbeitet mit frei wählbaren künstlerischen Methoden und ist geeignet für Kinder und Erwachsene.
Kooperationspartner:innen
ANNA-FRIEDERIKE C. PÖSCHEL
Die studierte Diplom-Designerin (FH) befasst sich in ihren künstlerischen Werken mit aktuellen Themen der Gesellschaft, anthropologischen Grundfragen nach dem Menschsein. Die Künstlerin ist auch als Grafikdesignerin erfolgreich. Ihr Atelier befindet sich im Kunstraum Neubrandenburg.
Infos unter: www.afcp.art
DR. NATALJA JESKE
Dr. Natalja Jeske studierte Geschichte an der Universität Tomsk (Russland). Seit 1990 lebt sie in Deutschland. Als freiberufliche Historikerin forscht und publiziert sie zu zeitgeschichtlichen Themen. Ihr Buch „Lager in Neubrandenburg-Fünfeichen 1939 - 1948“ wurde 2015 mit dem Annalise-Wagner-Preis ausgezeichnet. 2021 ist ihr Buch „Arno Esch. Eine Biografie“ erschienen.
RAMONA SEYFARTH
Die studierte und in Neubrandenburg lebende Künstlerin (Master of fine arts) ist in den Bereichen Installation, Glaskunst und Grafik tätig. Die Künstlerin und ihre Werke wurden schon mehrfach ausgezeichnet.
Infos unter: www.ramona-seyfarth.de
JUGENDKUNSTSCHULE
Die Jugendkunstschule Junge Künste NB e.V. verbindet Bildung, Jugendarbeit und Kultur in den Bereichen bildende Kunst, Theater, Keramik, Textil, Musik, Literatur und Medien.
Anmeldung unter:
Telefon: 0395 77824822
Mail: info@junge-kuenste.de
Adresse:
An d. Hochstraße 13
17036 Neubrandenburg
DAS PROJEKT ZEITLUPE
Stadt.Geschichte & Erinnerung der RAA MV e.V. stärkt Jugendliche und Erwachsene und macht Zeitgeschichte lokal erfahrbar.
Mail: zeitlupe@raa-mv.de
Telefon: 0395 57080570
Adresse:
2. Ringstr. 11 (Wiekhaus)
17033 Neubrandenburg