#SPURENSUCHEdigital – Das Kriegsende 1945 in Neubrandenburg

Was ist von den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkriegs in Neubrandenburg heute noch sichtbar? Manche sagen Nichts. Andere behaupten, es sei sehr viel. Die Trümmer sind zwar längst beseitigt und zerstörte Gebäude wieder aufgebaut oder ersetzt. Doch die Geschehnisse der letzten Kriegstage 1945 haben das Gesicht der Innenstadt von Grund auf verändert. Ebenso haben sich die Erinnerungen an die Trümmerlandschaft und die zahlreichen Toten nachhaltig ins Gedächtnis der Stadt und vieler ihrer Einwohner*innen eingebrannt. Eine Lehrpfadstele am Tollenesee, aber auch einige Orte in der Innenstadt zeugen heute von den Ereignissen im April 1945 in Neubrandenburg.
Neubrandenburg blühte zur Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) auf. Die Stadt entwickelte sich zu einem bedeutenden Militär- und Industriestandort. Die Nazis errichteten Kasernen, einen Flugplatz in Trollenhagen (verlinken?), eine Torpedoversuchsanstalt (verlinken!) im Tollensesee und ließen in den größten städtischen Fabriken Rüstungsgüter wie Waffen und Bauteile für Kampfflugzeuge (Zwangsarbeit verlinken!) herstellen. Die Ideologie des Nationalsozialismus hatte in der Stadt zahlreiche Anhänger*innen, die sowohl die völkisch-rassistische Politik, als auch den Krieg begeistert befürworteten.
Lange Zeit war der Zweite Weltkrieg (1939-1945) für die Einwohner*innen Neubrandenburgs kaum spürbar. Die Bevölkerung begegnete zwar tagtäglich den Tausenden von Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen in der Stadt. Abgesehen von den Männern im Kriegseinsatz mussten die Neubrandenburger*innen persönliche Einschränkungen aber erst in den letzten Kriegsjahren in Form von Rationierungen der Nahrungsmittel hinnehmen. Trotz ihrer strategischen Bedeutung blieb die Stadt von Luftangriffen verschont. Doch mit den militärischen Niederlagen der Deutschen Wehrmacht bekam auch Neubrandenburg die Folgen des Kriegs immer mehr zu spüren. Anfang 1945 trafen die ersten Geflüchteten aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ein und kündigten das Vorrücken der sowjetischen Armee (Rote Armee) an. In den nächsten Monaten kamen Tausende hinzu. Viele zogen weiter, einige blieben.
Am Abend des 28. April 1945 erreichte die Rote Armee schließlich Neubrandenburg. In der Bevölkerung breitete sich Panik aus. Viele Einwohner*innen versuchten aus der Stadt zu fliehen. Die Kampfhandlungen dauerten nicht lange an. Am 29. April nahmen die weit überlegenen sowjetischen Streitkräfte Neubrandenburg ein. Viele der siegreichen Soldaten plünderten Häuser und Geschäfte und vergewaltigten Frauen und Mädchen. In der Nacht legten sie ein Feuer, das über 80 Prozent der Innenstadt zerstörte.
Der Zusammenbruch ihres völkischen Überlegenheitsgefühls und nationalsozialistischen Weltbilds sowie die Angst vor Gewalttaten und wirklich erlebte Gewalt durch die sowjetischen Soldaten ließen viele Menschen am Sinn des Weiterlebens zweifeln. Viele sahen den Tod als einzige Lösung für sich und ihre Familien. Mit Pistolen, Gift oder durch Ertränken im Tollensesee ermordeten zahlreiche Mütter und Väter zunächst ihre Kinder und töteten sich anschließend selbst. Historiker*innen gehen von über 300 (erweiterten) Suiziden in den letzten Kriegstagen in Neubrandenburg aus.
75 Jahre nach diesen Ereignissen ist es nun möglich, sich mittels einer interaktiven, digitalen und multimedialen Stadtführung umfassender über die letzten Kriegstage in Neubrandenburg zu informieren (—> Angebot verlinken). Das über die kostenlose App Actionbound abrufbare pädagogische Angebot führt die Nutzer*innen alleine, in Kleingruppen oder als Schulklasse durch die Innenstadt, ins Regionalmuseum und zum Tollensesee. Hierzu werden nur ein Smartphone oder Tablet benötigt. Tablets können auch über das Projekt zeitlupe ausgeliehen werden.
Bei Interesse am pädagogischen Angebot wenden Sie sich bitte an: zeitlupe@raa-mv.de. Gern können auch Projektideen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit an uns herangetragen werden.