Fünfeichen - ein Ort stalinistischen Unrechts

Blick auf die Südseite des Speziallagers Nr. 9. Quelle: Stadtarchiv Neubrandenburg.

Fünfeichen - ein Ort stalinistischen Unrechts

Exkursion mit wechselseitiger Führung

Heute erinnern nur noch Überreste der ehemaligen Lagerbarracken an die Verbrechen, welche sich im Speziallagers Nr. 9 in Neubrandenburg-Fünfeichen ereigneten. Ein interaktives zeitlupe-Angebot bietet interessierten Schulen und Jugendgruppen, die einmalige Möglichkeit die Geschichte des Ortes mit einer spannenden Methodik zu entdecken

Exkursion ins ehemalige Speziallager Nr. 9

Mit der Errichtung des Speziallagers Nr. 9 in Neubrandenburg-Fünfeichen legte die Sowjetische Besatzungsmacht im Mai 1945 den Grundstein für das, was Historiker heute als „Ort mit doppelter Vergangenheit“ beschreiben: ein Ort, an dem stalinistisches Unrecht auf nationalsozialistische Verbrechen folgte. Heute erinnern nur noch schwer auffindbare Überreste der ehemaligen Lagerbarracken und -mauern an diese Geschichte. Doch anhand dieser steinernen Zeugen lässt sich sowohl das Schicksal der zwischen 1939 und 1945 dort festgehaltenen Kriegsgefangenen, als auch das Los der zwischen 1945 und 1948 dort internierten Speziallagerinsassinnen und -insassen erkunden.

Die wechselseitige Führung führt die Exkursionsteilnehmer*innen an sechs Stationen auf dem ehemaligen Lagergelände, die unterschiedliche Aspekte des Lagerlebens (z. B. anhand der Themenkomplexe „Haftgründe“, „Frauen“, „Hunger“ oder „Arbeit“) behandeln. Diese werden durch zwei Stationen auf dem Mahn- und Gedenkstättengelände ergänzt, die die geschichtskulturellen Entwicklungen und Kontroversen der Nachkriegs- bzw. Nachwendezeit thematisieren und dabei einen Gegenwartsbezug herstellen. Die Methode der wechselseitigen Führung soll der Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins dienen und die Teilnehmer*innen für das dort geschehene Unrecht im Kontext des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit sensibilisieren. Dabei wird dazu angeregt, das neu erworbene Wissen und die Erfahrung am historischen Ort im Kontext der eigenen Lebenswelt zu verorten.  

Anhand einer Lagerskizze und einer Luftbildaufnahme suchen die Teilnehmer*innen zunächst nach den ihnen zugeteilten Stationen auf dem ehemaligen Lagergelände. Anschließend eignen sie sich die stationsspezifischen Inhalte mittels des zur Verfügung gestellten pädagogischen Materials, das historische Aufnahmen, Zeitzeugenzitate und weiterführende Informationen enthält, selbstständig an. Die zwei Gruppen, deren Stationen sich auf dem Gedenkstättengelände befinden, bereiten ihre Themen aufgrund der Entfernung zum ehemaligen Lagergelände anhand etwas umfassenderer Materialien und Fotografien ihrer Stationen vor. Im nächsten Schritt gehen alle Teilnehmer*innen gemeinsam von einer Station zur nächsten. Die nun zu Expertinnen und Experten für einen Aspekt der Lagergeschichte gewordenen Kleingruppen präsentieren schließlich den übrigen Teilnehmenden in eigenen Worten ihren Themenbereich an den entsprechenden Stationen. 

Die Gesamtdauer der wechselseitigen Führung liegt bei ca. 120 Minuten. Da für diese ein gewisses Hintergrundwissen wichtig ist, empfiehlt sich eine thematische Vorbereitung zur Geschichte des deutschen Angriffs- und Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion und der menschenunwürdigen Behandlung insbesondere sowjetischer Kriegsgefangener im regulären Schulunterricht oder in Seminarsitzungen – beispielsweise anhand von Referaten der Schüler*innen bzw. Studierenden – oder in Form einer separaten Unterrichtseinheit begleitet durch eine*n zeitlupe-Mitarbeiter*in. Eine 45-minütige Führung über die Gedenkstätte mit dem Fünfeichen-Experten Dr. Harry Schulz ließe sich nach Absprache in die Exkursion einbinden und kann weiteres historisches Hintergrundwissen vermitteln.

Zur Nachbereitung und Reflexion der Exkursion ist ein Besuch des Stadtarchivs Neubrandenburg oder des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde empfehlenswert, wo sich die Teilnehmenden selbständig und quellenkritisch mit ausgewählten historischen Dokumenten zur Speziallagergeschichte und zu den Lebensgeschichten Internierter vor und nach 1945 auseinandersetzen können. Eine abschließende reflexive Einheit zum Thema Menschenwürde und Menschenrechte, die entweder direkt im Anschluss an den Archivbesuch oder an einem separaten Termin stattfinden kann, soll den Teilnehmer*innen die gegenwärtige Relevanz der Geschichte des Ortes Neubrandenburg-Fünfeichen verdeutlichen. 

Die wechselseitige Führung findet in Kleingruppen (á 2 bis 4 Personen) statt und ist für Schüler*innen ab Klassenstufe 12, Berufsschüler*innen und Bachelor- sowie Masterstudierende geeignet.

ACHTUNG: Die Exkursion ist nicht selbstständig durchführbar, da der historische Ort sich auf einem Übungsgelände der Bundeswehr befindet. Die Bundeswehr gewährt dem Projekt zeitlupe eine Sondergenehmigung zum Betreten des Ortes für die historisch-politische Bildungsarbeit.

 

Pädagogisches Angebot auf einen Blick:

  • Zugang zum ansonsten nicht zugänglichen historischen Ort des Stalag II A Neubrandenburg-Fünfeichen und des NKWD-Speziallagers Nr. 9
  • den neuesten geschichtsdidaktischen Standards entsprechendes pädagogisches Material zur Geschichte des NKWD-Speziallagers Nr. 9 Fünfeichen
  • Anwendung einer den neuesten geschichtsdidaktischen Standards entsprechenden Methode, einer wechselseitigen Führung mit Schüler*innengruppen ab Klassenstufe 12, Berufsschüler*innen und Studierenden
  • Angebot zur Vorbereitung in Form von Unterrichtsmaterial bzw. Material zur Vorbereitung von Referaten
  • Angebot einer Führung über das Gedenkstättengelände mit Dr. Harry Schulz
  • Angebot zur Nachbereitung und Reflexion in Form eines Projekttags im Stadtarchiv Neubrandenburg oder im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde zur Vertiefung, Kontextualisierung und Ausweitung des erworbenen Wissens sowie zur Arbeit mit Originalquellen mit Dr. Constanze Jaiser und/oder Lukas Wieczorek
  • Angebot zur Nachbereitung und Reflexion mit Dr. Constanze Jaiser in Form einer Unterrichtseinheit zum Thema Menschenwürde und Menschenrechte

Bei Interesse am pädagogischen Angebot wenden Sie sich bitte an: zeitlupe@raa-mv.de. Gern können auch Projektideen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit an uns herangetragen werden.

 

Alle Dokumente

Spurensuche II_Speziallager Nr. 9
Spurensuche II_NKWD-Befehl Nr. 00315_Quelle
Übersetzung des Inhaftierungsbeschlusses, Aufnahme- und Vernehmungsprotokolls für Gustav Zahn ins Deutsche, Quelle: Stadtarchiv Neubrandenburg
Speziallager Nr. 9 - Biographien
Obermayer Award Preisträger

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