Strausberg | Landesjugendheim

Gebäudekomplex ehemaliges Landesjugendheim Strausberg

Strausberg bei Berlin | Landesjugendheim

Der NS-Staat hat Erziehungsideale und übt Kontrolle über Heranwachsende aus. Hervorgehoben werden die, die sich anpassen. Die, die aus dem Rahmen fallen, werden als störend definiert. Dem abgelehnten und abgewerteten Anderen wird ein überhöhtes Selbst entgegengesetzt. Formen von Protest, Widerspruch, sexueller Selbstbestimmung, passiver Ablehnung werden als „verwahrlost“ abgestempelt und als „unerziehbar“ klassifiziert. In Strausberg sollen die Jugendlichen unter erzieherischer Aufsicht in Schneiderwerkstätten Disziplin lernen. Sie werden schlecht versorgt. Jene mit schlechten Anpassungsprognosen werden von Erzieher*innen in die Landesanstalt Görden zur psychiatrischen Begutachtung überstellt. Mit dem Urteil der „staatlichen Bewahrung“ enden viele Mädchen ab 1942 im Jugend-KZ Uckermark.

Jugendliche herausnehmen aus den Familien und hinein in staatliche Obhut zu geben, hat eine lange Geschichte. Der schöne Backsteinbau in Strausberg, in der Wriezener Straße 28e, wird schon 1883 für „verwaiste und haltlose“ Kinder als sogenannte Provinzial-, Schul- und Erziehungsanstalt erbaut. Ab April 1927 bis zum Jahr 1945 wird Strausberg als Brandenburgisches Landesjugendheim genutzt. Von außen ist das Gebäude schön anzusehen und von innen ist es anstrengend. Im Nationalsozialismus galt Disziplin, Bestrafung und gesellschaftliche Isolation als akzeptables Erziehungsmodell. Im Heim wird niemand verstanden, sondern bevormundet. Was heißt es nun politisch zu erziehen? Es werden Standards formuliert: Vermeintlich sei das abweichende Verhalten von Jugendlichen erblich bedingt und würde von Generation zu Generation weitergegeben. Somit seien sie für den Rest der Gesellschaft sogar staatsgefährdend.

Nächster Schritt: Psychologische Begutachtung. Die Landesanstalt Görden

Zur Begutachtung der Persönlichkeit kommt in den 1920er-Jahren die Heilerziehungsabteilung in der Landesanstalt Görden in der Stadt Brandenburg/Havel dazu. Wenn es nicht im Jugendheim funktioniert, sollen die Psychiater in die Heranwachsenden genauer hineinschauen und über „Heilungschancen“ nachdenken und Prognosen erstellen. Bei den Mädchen spielen dabei ihre Sexualität und ihre Aktivität immer eine große Rolle. Sie erleiden in Görden demütigende gynäkologische Untersuchungen. Die ärztlichen Abhandlungen in den folgenden Aktenausschnitten der Landesanstalt strotzen nur so von abfälligen Beschreibungen. Wirkungsmächtig wird entschieden, was mit den „hoffnungslosen Fällen“ passieren soll. Wenn sich das Landesjugendheim und die Landesanstalt Görden nicht für mehr für die jugendlichen Mädchen für zuständig halten, hat der Staat noch ein weiteres Instrument zur Kontrolle geschaffen: Die sogenannten kriminalpolizeilichen Jugendschutzlager – also Konzentrationslager für Minderjährige.

(K)Ein Ort für Mädchen – Das Jugend KZ-Uckermark

Jene mit schlechten Anpassungsprognosen werden mit dem Urteil der „staatlichen Bewahrung“ ab 1942 im Jugend-KZ Uckermark beim Frauen-KZ Ravensbrück in Fürstenburg/Havel eingesperrt. Hier handelt es sich um ein Konzentrationslager: Barackenunterkunft, Zwangsarbeit, Folter und tägliche Demütigung. In völliger Abgeschiedenheit sind sie der Gewalt von Kriminalpolizistinnen ausgeliefert. Tagsüber ist kein einziges Gespräch untereinander mehr erlaubt. Gehorsam und Unterwerfung gehören zur „Erziehung“. In einer sumpfigen Landschaft in Brandenburg, unmittelbar neben dem großen KZ-Komplex Ravensbrück, geht es für viele nur noch ums Überleben.

Im Rahmen des Projektes überLEBENSWEGE ist es gelungen, anhand biografischer Spurensuchen die Verfolgungswege von Mädchen und jungen Frauen zu erfassen und dabei enge Verbindungen zwischen dem Landesjugendheim Strausberg bei Berlin, der Landesanstalt Görden bei Brandenburg an der Havel sowie dem Jugend-KZ Uckermark nachzuweisen. Einrichtungen der Fürsorge, der Psychiatrie und der Kriminalpolizei arbeiteten hier eng zusammen. 

Dokumente, Fotos und Quellen finden sich demnach auch unter den historischen Orten Ravensbrück-Fürstenberg/Havel | Frauen-KZ und Jugend-KZ Uckermark sowie  Görden bei Brandenburg an der Havel.

Quellen, die die Orte Görden, Strausberg und Jugend-KZ Uckermark verbinden

Im Rahmen des Projektes überLEBENSWEGE ist es gelungen, anhand biografischer Spurensuchen die Verfolgungswege von Mädchen und jungen Frauen zu erfassen und dabei enge Verbindungen zwischen dem Landesjugendheim Strausberg bei Berlin, der Landesanstalt Görden bei Brandenburg an der Havel sowie dem Jugend-KZ Uckermark nachzuweisen. Einrichtungen der Fürsorge, der Psychiatrie und der Kriminalpolizei arbeiteten hier eng zusammen. 

Dokumente, Fotos und Quellen finden sich demnach auch unter den historischen Orten Görden bei Brandenburg an der Havel sowie RAVENSBRÜCK-FÜRSTENBERG/HAVEL - Frauen-KZ und Jugend-KZ Uckermark (youtube.com).

Das Kollektiv von überLEBENSWEGE bietet hier spannende Quellen. Diese Audio- und Videoquellen lassen sich nutzen für das Sampling von FilmFragmenten: als Informationsquelle, als Tonspur, als Inspiration für eigene Texte, Audios und Videos. Auf einem eigens entwickelten Portal, dem local-history.net [https://local-history.net/], stehen FilmFragmente von Ortsbegehungen zur Landesanstalt Görden, zum Landesjugendheim Strausberg und zum Jungend-KZ Uckermark zum Download zur Verfügung. Sie sind wissenschaftlich fundiert und z.T. aus besonderen Perspektiven gedreht:

local-history.net – eine Sammlung von zahlreichen Filmclips zum Download:

Für das eigene Sampling, das Forschen und Verstehenwollen, was die Geschichte und die Erinnerung für mich heute bedeutet, stellen wir hier historische Quellen, Biografien, Fotos, künstlerische Zeugnisse zur Verfügung.

  • Ein Ortsfilm zu Strausberg: Strausberg bei Berlin – Landesjugendheim (youtube.com)
  • Die Künstlerin Anna-Friederike Pöschel hat mit uns aus Papier animierte Stop-Motion-Videos gemacht: Sie erzählt über die Geschichte der beiden jungen Frauen Ottilie Voss und Erika Otte, die mit allen drei Orten verbunden sind. Biografien Ottilie Voss und Erika Otte
  • Auf YouTube überLEBENSWEGE finden sich neben Biografien auch weitere Ortsfilme sowie Projektbeispiele 
  • Weitere Quellen, wie Aktenauszüge, Luftbildaufnahmen, Fotos, weitere Biografien und Zitate ergänzen die Auswahl. Sie spiegeln nicht das Leben aus der Sicht der verfolgten Jugendlichen wider. Denn aus ihrer Perspektive ist fast nichts überliefert. Aber sie dokumentieren den Zusammenhang zwischen dem Landesjugendheim Strausberg, der Landesanstalt Görden und dem Jugend-KZ Uckermark. Und lassen Rückschlüsse auf die Schicksale und auf die Verbrechen zu.

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