Bereits 1940 legte die HASAG in dem Dorf Berga, das seit 1939 in Schlieben eingemeindet war, einen firmeneigenen Schießplatz an. Die hergestellte Munition konnte hier in großem Umfang erprobt werden. Getestet wurden jeweils 150 Stück 2cm-Flakgeschosse je Produktionsserie, mitunter bis zu 20.000 Schuss pro Tag; dazu Gewehr-Sprenggranaten mit bis zu 300 Stück wöchentlich und 3,7 cm-Pakgeschosse sowie Panzerfäuste aus eigener Produktion.
„1942 nahm die HASAG in Schlieben-Berga die Produktion von Sprengstoffen auf, da seit den Winterkämpfen 1941/42 der Bedarf an Waffen und Munition an allen Fronten enorm anstieg. Im Februar 1944 arbeiten bereits 888 Personen, neben Firmenangehörigen auch französische, polnische, russische und ukrainische, zivile Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene.
Auf Anforderung von Generaldirektor Budin werden 1944 vom SS Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) 5.000 – 6.000 Häftlinge für die Kriegsproduktion der HASAG bewilligt.“
Das KZ-Außenlager Schlieben-Berga bestand aus zwei getrennten Lagerbereichen. Ein Männerlager im östlichen Bereich, etwa 14 Holzbaracken umfassend, und ein Frauenlager, das am 19. Juli 1944 in Berga im westlichen Teil des Geländes eingerichtet wurde. Es bestand aus fünf Steinbaracken, in denen zuvor deutsche Zivilarbeiter, Wehrmachtsangehörige und Kriegsgefangene untergebracht waren. Es war bis 31. August 1944 dem KZ Ravensbrück unterstellt ist:
998 Frauen wurden aus dem KZ Ravensbrück über das Leipziger HASAG-Werk nach Schlieben gebracht. Es waren vor allem Sinti- und Romafrauen (Sintizze) aus Ungarn, Österreich und Deutschland. Sie wurden in den Steinbaracken interniert. Geplant war, in Schlieben etwa 2.000 Häftlingsfrauen einzusetzen. Bis Ende August 1944 wurden weitere 200 - 300 Häftlingsfrauen anderer Haftkategorien aus mehreren Ländern (Argentinien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Sowjetunion und Tschechoslowakei) in Schlieben eingeliefert.
In zwei Schüben wurden dann jedoch alle Frauen – bis auf 147 Französinnen und Belgierinnen – an andere Standorte verlegt, alle Sintezza in das KZ-Außenlager nach Altenburg, von denen später ein Teil nach Taucha deportiert wurde. Das Frauenlager wurde nach einer Verfügung der Inspektion der Konzentrationslager vom 15.08.1944 verwaltungsmäßig dem KZ Buchenwald unterstellt und dort als ‚gemischtes Kommando‘ geführt. Es blieb auf einem Bestandsniveau von 150 - 250 Frauen. Zum Zeitpunkt der Auflösung des Lagers (nach dem 09.04.1945) waren es 238.
Essen und Hunger
Die tägliche Verpflegung im Lager besteht aus einer Mahlzeit aus der Lagerküche, in der ukrainische und italienische zivile Zwangsarbeiter arbeiten.
Nach Isaak Wargon besteht diese Mahlzeit nur aus einem kleinen Stück Brot und einem halben Liter Wassersuppe. Elyahu Winkler erinnert sich an eine Kohlsuppe, in der man „das Stückchen Kohl suchen mußte.“
Die Sintezza Maria Peter berichtet: „Das Essen bestand aus einem Viertel Kommissbrot, das so feucht und schimmelig war, daß man es kaum hinunterbrachte. Auch die Suppe mit Steckrüben bestand fast nur aus Wasser, und die Würmer, die darin waren, haben wir vor lauter Hunger mitgegessen.“
Menasze Hollender führt in seinen Tagebuchblättern aus:
„Die Häftlinge wurden am meisten vom Hunger geplagt. Die normale Lebensmittelzuteilung reichte nicht aus, um das Kräftegleichgewicht zu halten und den Hunger zu stillen. Die Verpflegung wurde von Tag zu Tag schlechter. Häftlinge, die ausschließlich auf die Lagerverpflegung angewiesen waren, wurden zum Hungertod innerhalb von einigen wenigen Monaten verurteilt. Dies war eine sichere Sache, und jeder war sich dessen bewußt. Deswegen auch halfen sich die Häftlinge, wo sie nur konnten, ungeachtet der Gefahr, die damit verbunden war.
[…]
Unter diesen Bedingungen waren die Häftlinge ausschließlich auf die Gnade ihrer unmittelbaren Vorgesetzten angewiesen. Der Hungertod war an der Tagesordnung, und das Hungerödem wurde zu einem häufigen Symptom.Auf den Müllhalden der Lager- oder Fabrikküche wimmelte es nur so an gespenstischen Gestalten, die im Unrat nach einer Kartoffelschale oder einem Kohlblatt suchten. Auf diesen Müllhalden wurden makabre Kämpfe der Gespenster um die gefundenen Abfälle ausgetragen – zur Erheiterung der zuschauenden Deutschen.“
Der MEMORInator – digitales Tool für persönliche Erinnerungsstücke
Zusammen mit dem Kollektiv monströös, in deren Studio für 2D Animation und audiovisuelles Storytelling, entwickelten wir ein Tool, mit dem digitales Handeln und das Samplen mit Fragmenten rund um Geschichte und Erinnern erfahrbar wird. Er stellt einen guten Einstieg über die Perspektive der Verfolgten dar. Viele Zitate, Verse, Objekte aus dem KZ Neubrandenburg und dem KZ Ravensbrück wurden hier genutzt.
Ein beweglicher wie auch bewegender MEMORInator, wie wir das digitale Tool nennen, führt mit Hilfe von Quellen und künstlerischen Elementen in digitales Handeln ein. Das „MEMORI“, also ein persönliches Erinnerungsstück (nicht das bekannte Memory-Paarkartenspiel sondern „memento“ steckt darin, deshalb wird das „o“ betont), das hier spielerisch entwickelt werden kann, steht durchaus für sich allein. Es kann aber auch dazu motivieren, das individuelle zu einem kollektiven Erinnerungszeichen zu gestalten, indem es mit anderen geteilt wird.
Kurz und gut: Hier lässt sich etwas machen, das mit Bildern und mit Erinnerung zu tun hat. Und dies im digitalen Raum. Bewegliche und bewegende Topographien des Erinnerns …
memorinator.local-history.net – ein Tool zum GRABEN, ERKUNDEN, ERINNERN,
Was noch?
Der MEMORInator ist eng verbunden mit den FilmFragmenten, die zur freien Medienarbeit auf einem extra Portal, dem local-history.net zur Verfügung stehen.
local-history.net – eine Sammlung von zahlreichen Filmclips zum Download
Für das eigene Sampling, das Forschen und Verstehenwollen, was die Geschichte und die Erinnerung für mich heute bedeutet, stellen wir hier historische Quellen, Biografien, Fotos, künstlerische Zeugnisse zur Verfügung.
Auf YouTube überLEBENSWEGE – Biografien, Ortsfilme und Projektbeispiele